Foto: Harald Schmitt

Widerspruch

Havemann und der Kommunismus

Buch und Regie Ute Bönnen und Gerald Endres
Kamera Friedemann Rehse
Schnitt Christopher Kaps
Redaktion Rolf Bergmann
Produktion Ute Bönnen - Gerald Endres
Filmproduktion
Erstaustrahlung 21.10.2014 im RBB
Länge 45 min

Bei allem Respekt vor Havemann Bedeutung und Leistung ist der Film keine Hagiografie. Er stellt neben einem risiko- und konfliktreichen Leben einen im Persönlichen wie im Politischen widersprüchlichen Menschen dar, seine Irrungen und die Rückkehr auf seinen ganz eigenen Weg. Gezeigt wird ein denkender und suchender Mann, der seine Biografie mit „Fragen Antworten Fragen“ betitelte. Robert Havemann war bis zu seinem Tod die Überfigur der DDR-Opposition und hat den Widerstand geprägt bis zum Ende der DDR. Schon sein Lebenslauf prädestinierte ihn dafür.

Herkunft

Robert Havemann kommt aus einer Familie, die sich in der deutschen Künstler- und Intellektuellenszene der 20er Jahre bewegte. In gewisser Weise war jedoch schon die Wahl des Studienfachs Chemie ein Absetzen von der Familie und den wolkigen Ideen des Vaters. Robert Havemann suchte nach solider Erkenntnis, und schon früh wandte er sich dem Kommunismus zu.

Als er 1931 zum Studium von München nach Berlin wechselte, kam über in Kontakt mit hochrangigen Komintern-Abgesandten. Offiziell sollte er auf Vorschlag dieser Kommunisten nicht in die Partei eintreten und auch nicht an ihren öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen, da er so dem klandestinen Apparat nützlicher sein könnte. Während der Nazi-Zeit war Robert Havemann zunächst ohne politische Verbindungen und initiierte eine Gruppe namens „Europäische Union“. Die Europäische Union half Juden beim Untertauchen und der Flucht. Später kümmerte sie sich auch um Zwangsarbeiter und erwog sogar die Möglichkeit eines Aufstands dieser Menschen. Die Gruppe flog schließlich auf. Robert Havemann wurde im Dezember 1943 vom Volksgerichtshof wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Die Hinrichtung wurde aber aufgeschoben, weil seine Arbeit als kriegswichtig galt und er sie im Zuchthaus Brandenburg fortsetzen sollte. Nach seiner Befreiung war Havemann zunächst als Widerstandskämpfer in Ost und West willkommen, doch nach Beginn des Kalten Kriegs verlor er seine Position als Leiter des Kaiser-Wilhelm-Instituts für physikalische Chemie in Berlin Dahlem. Er wechselte zur Humboldt-Universität und zur Akademie der Wissenschaften der DDR. Zu dieser Zeit war Robert Havemann überzeugter Stalinist. Er arbeitete mit dem KGB und MfS zusammen, belastete auch Kollegen und beteiligte sich an der Exmatrikulation politisch missliebiger Studenten. Sein Engagement und seine Treue zur Partei wurden mit einem Sitz in der Volkkammer belohnt. Später hat Havemann aus eigenem Erleben sehr genau die Denkweise eines Parteisoldaten beschrieben und analysiert.

Der Dissident

Die Treue zur Partei und ihrer Lehre endete, als der kritische Geist und Marxist Havemann immer mehr Anstoß an den Dogmen der Partei, an den Denk- und Diskussionsverboten nahm. Er testete die Freiräume aus und ging dann über sie hinaus. Um seine Gedanken öffentlich zu machen, bediente er sich auch westdeutscher Medien und hielt kritische Vorlesungen an der Humboldt-Universität.

Der Gegenschlag war hart und schnell. Im März 1964 flog Havemann aus der Universität und der Partei. Er erhielt Berufsverbot und wurde auch aus der Akademie der Wissenschaften ausgeschlossen. Doch Robert Havemann war damit nicht mundtot gemacht. Sein Haus wurde zum Treffpunkt, seine Person zum Kristallisationspunkt der DDR-Opposition. Und immer wieder wurden im Westen Havemanns Gedankens Gedanken veröffentlicht, allen Versuchen zum Trotz, ihn zu isolieren. Havemann war zu bekannt, um ihn einfach wegzusperren, außerdem war er nicht mehr haftfähig. Also wurde 1976 ein Hausarrest über ihn verhängt, auf einer langen Liste standen die Personen, denen der Zutritt zu ihm verwehrt war. Diplomaten und Journalisten aus dem Westen wurden ohnehin nicht zu ihm durchgelassen. Doch der gigantische Aufwand, um Robert Havemann von der Welt abzuschotten, wurde wiederum zu einem Ereignis, über das die Medien der Welt berichteten. 1979 wurde der Hausarrest wieder aufgehoben, Schikanen und Strafverfahren hielten jedoch an.

1982 setzte sich Havemann noch gemeinsam mit Rainer Eppelmann im „Berliner Appell für eine gesamtdeutsche Friedensbewegung ein, am 9. April 1982 starb er 72-jährig. Die Zusammensetzung der Trauergemeinde bei der Beerdigung zeigte noch einmal, wie viele Leute Havemann beeinflusst hat. Er hat sehr unterschiedliche Menschen zusammengeführt, die später auch wieder sehr unterschiedliche politische und persönliche Wege gegangen sind. Es ist kaum vorstellbar, welchen Weg die DDR-Opposition ohne ihn genommen hätte - ohne seinen Mut, ohne seine Ideen und ohne seine Hartnäckigkeit, die sich auch auf eine gewisse Eitelkeit und das Bewusstsein seiner intellektuellen Fähigkeiten stützte.


Dieser Film wurde gefördert von der Bundesstiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur


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